Anspruch auf
einen Telearbeitsplatz - Weisungsrecht
Verstärkt wird in der Öffentlichkeit über mobile Arbeit,
Arbeit jederzeit und an jedem Ort diskutiert. "Fluch oder Segen?" sei
dahingestellt. Wir fragen, was rechtlich möglich und zulässig ist. Durch
die Verbesserung der digitalen Arbeitsmöglichkeiten, insbesondere in der
Kommunikation und Übertragung von Informationen, werden
Telearbeitsplätze in Zukunft immer mehr Gewicht erhalten. Die
Rechtsprechung ist bisher zurückhaltend und es gilt neue Tendenzen zu
beobachten.
In einer frühen Entscheidung hat das
Landesarbeitsgericht Hamm geprüft, ob statt einer Kündigung die
Zuweisung eines Tele-Heimarbeitsplatzes in Betracht kommt. Im Rahmen
der Prüfung, inwieweit eine Kündigung durch mildere Mittel vermieden
werden kann, seinenicht nur andere vorhandene Arbeitsplätze
einzubeziehen, sondern auch der Arbeitsplatz des gesundheitlich
beeinträchtigten Arbeitnehmers selbst, wenn er durch geeignete Maßnahmen
so umgestaltet und umorganisiert werden kann, dass die gesundheitlichen
Beeinträchtigungen vermieden werden.
Ein Arbeitgeber könne jedoch nicht dazu gezwungen
werden, einen anderen Arbeitsplatz zu schaffen. Bei der Einrichtung
eines Heimarbeitsplatzes oder Telearbeitsplatzes handelte es sich nach
Auffassung des Gerichts nicht mehr um den ursprünglichen Arbeitsplatz,
der nur hinsichtlich der örtlichen Lage umgeändert werden muss; vielmehr
handelt es sich bei einem Heimarbeitsplatz um einen gänzlich anderen
Arbeitsplatz, über den der Arbeitgeber bislang nicht verfüge. Wollte man
über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einen Arbeitgeber zwingen,
Heimarbeitsplätze einzurichten, griff man in die unternehmerische
Freiheit ein, die auch die Entscheidung darüber beinhaltet, ob ein
Arbeitgeber die wirtschaftlichen Tätigkeiten in einer Betriebsstätte
ausführen lassen will oder den Arbeitnehmer freistellen will, wie und
von wo aus sie diese Tätigkeiten verrichten können.
Aus der in § 241 Abs. 2 BGB normierten
Rücksichtnahmepflicht erwachse nach dem Landesarbeitsgericht
Rheinland-Pfalz auch unter Berücksichtigung des grundrechtlichen
Schutzes von Ehe und Familie bzw. Pflege und Erziehung der Kinder kein
Anspruch auf einen befristeten Halbtagsarbeitsplatz an einem anderen
Arbeitsort oder in einem Home Office. Das Landesarbeitsgericht Köln hat
in einer jüngeren Entscheidung offengelassen, ob der Anspruch auf
Zuweisung eines leidensgerechten Telearbeitsplatzes - und sei dies auf
der Grundlage einer bestimmten Dienstvereinbarung oder
Betriebsvereinbarung - über die erzwungene Ausübung des Direktionsrechts
oder die Herbeiführung einer Vertragsänderung durchgesetzt werden kann
oder muss.
Der Arbeitgeber ist nicht allein aufgrund seines
arbeitsvertraglichen Weisungsrechts berechtigt, dem Arbeitnehmer
Telearbeit zuzuweisen, hat das Landesarbeitsgericht Berlin 2018
festgestellt. Zur Begründung heißt es: Die Umstände einer ausschließlich
in der eigenen Wohnung zu verrichtenden Arbeit sind mit einer Tätigkeit,
die in einer Betriebsstätte zusammen mit weiteren Mitarbeitern des
Arbeitgebers auszuüben ist, nicht zu vergleichen. Vor allem waren für
das Gericht soziale Umstände besonders maßgebend. Der Arbeitnehmer
verliert den unmittelbaren Kontakt zu seinen Kollegen und die
Möglichkeit, sich mit ihnen auszutauschen, wird deutlich verringert.
Auch werden die Grenzen von Arbeit und Freizeit fließend. Der
Arbeitnehmer ist für die betriebliche Interessenvertretung und die im
Betrieb vertretenen Gewerkschaften schwerer erreichbar. Dass
Arbeitnehmer gleichwohl z.B. zur besseren Vereinbarkeit von Familie und
Beruf an einer Telearbeit interessiert sein können, ändert nichts daran,
dass diese Form der Arbeit einem Arbeitnehmer in aller Regel nicht
einseitig von dem Arbeitgeber zugewiesen werden kann.
Der sich aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX ergebende
Anspruch eines schwerbehinderten Menschen kann auch einen Anspruch auf
Änderung des Ortes, an dem die Arbeitsleistung zu erbringen ist,
einschließen.So das Landesarbeitsgericht Niedersachsen. Wenn der
Arbeitgeber für den schwerbehinderten Menschen bereits in der
Vergangenheit einen funktionsfähigen Telearbeitsplatz in dessen Wohnung
eingerichtet hat, so sei es dem Arbeitgeber ohne das Hinzutreten neuer,
gewichtiger Umstände im Zweifel nicht unzumutbar i. S. v. § 81 Abs. 4
Satz 3 SGB IX, den Arbeitnehmer weiterhin an zwei Werktagen die Woche in
Telearbeit zu beschäftigen. Sofern die leidensgerechte Beschäftigung am
heimischen Telearbeitsplatz eine Abänderung des ursprünglich
geschlossenen Arbeitsvertrages hinsichtlich des Ortes der Erbringung der
Arbeitsleistung erforderlich macht, kann der betroffene Arbeitnehmer
unmittelbar auf entsprechende tatsächliche Beschäftigung klagen. Einer
vorangehenden auf Änderung des Arbeitsvertrags gerichteten Klage bedarf
es nicht.
Es gibt gerade bei staatlichen Aufgaben, die Beamte zu
verrichten haben, insbesondere auch Sicherheitsaspekte, die gegen
Telearbeitsplätze sprechen. Dem Dienstherrn bzw. der Dienststelle
obliegt im Rahmen des Organisationsermessens die Einschätzung, ob in
Bezug auf den konkreten Arbeitsplatz die zu verarbeitenden Sachen eine
besondere Sensibilität aufweisen und deshalb nicht außerhalb der
geschützten Diensträume verarbeitet werden sollen.
Rechtanwalt Dr. Palm |