Zur Privilegierung
§ 138 Abs. 2 Nr. 3, zweiter Halbsatz InsO
Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der
Handlung nahestand, wird vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit
oder den Eröffnungsantrag kannte. Kurz gesagt: Wer noch
Zahlungen erhielt, obwohl das Unternehmen kurz vor der Insolvenz
stand, muss damit rechnen, dass er, auch wenn er an sich einen
Anspruch auf die Leistung hat, diese zurückgewähren muss. Es soll
vermieden werden, dass einige Gläubiger noch schnell befriedigt
werden, während andere sich den Regeln der Insolvenzordnung
unterwerfen wollen.
Ist der Schuldner eine juristische Person
oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so sind
nahestehende Personen:
die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans und persönlich
haftende Gesellschafter des Schuldners sowie Personen, die zu
mehr als einem Viertel am Kapital des Schuldners beteiligt sind;
eine Person oder eine Gesellschaft, die auf Grund einer
vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen
Verbindung zum Schuldner die Möglichkeit haben, sich über
dessen wirtschaftliche Verhältnisse zu unterrichten;
eine Person, die zu einer der in Nummer 1 oder 2
bezeichneten Personen in einer in Absatz 1 bezeichneten
persönlichen Verbindung steht; (die Privilegierung
lautet:) dies gilt nicht, soweit
die in Nummer 1 oder 2 bezeichneten Personen kraft
Gesetzes in den Angelegenheiten des Schuldners zur
Verschwiegenheit verpflichtet sind.
Die Privilegierung heißt, dass die Vermutung
dann nicht besteht, wenn die in § 138 Abs. 2 Ziffer 1 und
2 InsO genannten Personen kraft Gesetzes in den Angelegenheiten des
Schuldners zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Diese Ausnahme
macht das Gesetz für Angehörige solcher Personen, die auf Grund
ihrer Stellung im Unternehmen des Schuldners von einer
Verschwiegenheitspflicht getroffen sind. Man will solchen Personen nicht
unterstellen, dass sie ihre Pflichten durch Weitergabe von
Kenntnissen verletzt haben, die auf ihrer besonderen Stellung im
Unternehmen beruhen und die der Verschwiegenheit unterliegen. Die
Ausnahme gilt grundsätzlich auch für Geschäftsführer einer GmbH im
Hinblick auf § 85 GmbHG.
Aufgrund der Tatsache, dass die Verschwiegenheitspflichten
von GmbH-Geschäftsführern ausschließlich die
Gesellschaft schützen soll, nicht aber die Gläubiger, deren Schutz
über die Anfechtungsmöglichkeiten der §§ 130 ff. InsO bezweckt
wird, hält das Landgericht Kiel aus dem Jahre 2006 jedoch eine restriktive Auslegung des § 138
Abs. 2 Nr. 3 zweiter Halbsatz InsO für geboten. Denn aus der Natur
der Verschwiegenheitspflichten betreffend GmbH-Geschäftsführer
ergebe sich ein deutlicher Unterschied zu solchen Personen, die
berufsmäßig zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, z.B. Rechtsanwälten,
Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern. Die Privilegierung
von Angehörigen von GmbH-Geschäftsführern in § 138 Abs. 2 Nr. 3
zweiter Halbsatz InsO kann nach Auffassung jedenfalls dann nicht
gerechtfertigt sein, wenn die Verschwiegenheitspflichten tatsächlich
nicht eingehalten wurden. Wenn die Verschwiegenheitspflicht verletzt wurde, indem etwa
- wie im Fall der Entscheidung des genannten Gerichts - die Ehefrau im einzelnen über die finanzielle Situation der
Schuldnerin informiert wurde, nämlich darüber, dass ausreichende
Liquidität nicht vorhanden sei, wird die Geheimhaltungspflichten aus
§ 85 GmbHG verletzt, denn die finanzielle Situation einer GmbH ist
eine nicht offenkundige Tatsache i.S.d. § 85 GmbHG. Dann aber greift
die Privilegierung nicht mehr.
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