Wenn
die Rente für die Pflegeleistungen nicht reicht, werden unvermeidlich
Sozialleistungen in Anspruch genommen. Bevor soziale Leistungen gewährt
werden, muss der Anspruchsteller alle
sonstigen Vermögensgüter und Ansprüche, die ihm gegebenenfalls
zustehen, zu realisieren. In diesem Zusammenhang müssen auch Ansprüche
gegenüber Dritten geltend gemacht werden. Diesem Grundsatz der
Nachrangigkeit der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende
korrespondiert die Möglichkeit des Hilfeträgers, auf
bereits vom Hilfeempfänger früher übertragenes Vermögen oder auf seine
gesetzlichen Ansprüche gegen Dritte zurückzugreifen. Solche
Ansprüche können sich insbesondere gegen Beschenkte richten. Der Träger
der Sozialhilfe bzw. der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende kann Ansprüche
des Hilfeempfängers gegen Dritte auf sich überleiten. Muss man die Schenkungen rückgängig machen bzw. das Erlangte herausgeben? Der Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes ist ausgeschlossen, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat oder wenn zur
Zeit des Eintritts seiner Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre verstrichen sind.
Bundesgerichtshof aktuell 2011: Bei der Schenkung eines Grundstücks genügt es zur Leistung des geschenkten Gegenstandes im Sinne von § 529 Abs. 1 Fall 2 BGB, dass der Beschenkte nach dem formgerechten Abschluss des
Schenkungsvertrages und der Auflassung einen Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung beim Grundbuchamt eingereicht hat |
Bundesgerichtshof
aktuell 2009: Dass in einem Vertrag als Gegenleistung für
die Übertragung eines Hausgrundstücks vereinbarte
Versorgungsleistungen nur so lange geschuldet sein sollen, wie sie
von dem Verpflichteten in dem übernommenen Haus erbracht werden können,
führt nicht ohne weiteres zur Sittenwidrigkeit der vereinbarten
Regelung. Die Frage der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB
beurteilt sich danach, ob der Ausschluss von Zahlungsansprüchen
mit der Folge, dass der Sozialhilfeträger eintreten muss, nach
Inhalt, Beweggrund und Zweck in einer Weise zu missbilligen ist,
dass es dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden
widerspricht. Durch die Übertragung auf den Beklagten steht das
Hausgrundstück nicht mehr zur Deckung der Kosten zur Verfügung,
die durch die Heimunterbringung des Vaters des Beklagten
entstehen. Das ist, für sich genommen, kein von der Rechtsordnung
missbilligter Vorgang. Dieselbe Rechtsfolge träte nach
Darstellung des BGH auch ein, wenn der Vater des Beklagten diesem
sein Hausgrundstück seinerzeit geschenkt hätte, ohne sich Kost
und Logis durch den Beklagten vorzubehalten. Auch eine solche
Schenkung kann bei einer Verarmung des Schenkers dazu führen,
dass er mit seinen Mitteln seine Unterbringung und Pflege im Alter
nicht mehr realisieren kann. Diese mögliche Folge einer Schenkung
führt nach der Wertung des Gesetzgebers nicht zu der sittlichen
Missbilligung der Schenkung als solcher und nicht zu
deren Nichtigkeit. Die Folge ist vielmehr, dass der Schenker, bei
Überleitung nach § 93 SGB XII der zuständige Sozialhilfeträger,
im Falle der späteren Verarmung das Geschenk nach Maßgabe von §
528 Abs. 1 BGB zurückfordern kann und so eine Inanspruchnahme der
Allgemeinheit für den Notbedarf des Schenkers verhindert wird.
Der Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB ist nach § 529 Abs. 1 BGB auf
zehn Jahre befristet. Auch das ist Teil der Wertung des
Gesetzgebers und führt dazu, dass eine Schenkung auch dann
sittlich nicht zu beanstanden ist, wenn der Schenker mehr als zehn
Jahre danach verarmt und keinen (nach § 93 SGB XII überleitbaren)
Anspruch auf Rückforderung des Geschenks mehr hat.
Diese Wertung muss im Ausgangspunkt erst recht gelten, wenn es sich nicht um eine reine Schenkung handelt, der Schenker vielmehr, wie hier, für die Übertragung eines Hausgrundstücks zwar kein vollwertiges Entgelt, aber immerhin doch eine gewisse Gegenleistung in der Form eines
Anspruchs auf Kost und Logis erhält. Die unentgeltliche Übertragung eines Hausgrundstücks bei beschränkter Gewährung von Kost und Logis kann deshalb nur bei Hinzutreten weiterer Umstände sittenwidrig sein. Übergabeverträge
nehmen in der Regel eine Erbfolge vorweg und haben den Charakter einer gemischten Schenkung. Der Übernehmer ist zwar, schon im Hinblick auf die engen persönlichen Beziehungen, bereit, Versorgungsleistungen wie Unterbringung, Beköstigung und Pflege zu erbringen. Er nimmt jedoch lediglich den damit
verbundenen relativ geringen finanziellen Aufwand in Kauf, möchte seine Lebensführung aber nicht mit zusätzlichen Zahlungsverpflichtungen belasten.
Eine von solchen Beweggründen getragene
Regelung ist - ohne Hinzutreten besonderer Umstände - nicht
unanständig. Das ist kein Verstoß gegen die guten Sitten, selbst
wenn das dazu führt, dass der Träger der
Sozialhilfe eintreten muss. Der Umstand, dass das Haus infolge der
Übertragung an den Beklagten nicht mehr als Vermögensgegenstand
zur Verfügung steht, der für die Heimunterbringungskosten
verwertet werden könnte, spielt für die Frage der Sittenwidrigkeit keine Rolle.
Den Vater des Beklagten traf keine Verpflichtung, über die
Leistungen an die gesetzliche Rentenversicherung hinaus für sein
Alter vorzusorgen. Er war in seiner Entscheidung frei, das Haus
gegen eine Gegenleistung zu übertragen, die dessen Wert nicht
erreichte. Er hätte das Haus auch ohne Gegenleistung übertragen können.
Solche allein ihm vorbehaltenen Entscheidungen bilden keinen Anknüpfungspunkt
für Überlegungen zur Sittenwidrigkeit.
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Ein
besonderes „Risiko“ für den Beschenkten ist der Rückforderungsanspruch
zur Deckung des Notbedarfs des bedürftigen Schenkers. Soweit der Schenker
nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen
Unterhalt zu bestreiten und die ihm seinen Verwandten, seinem Ehegatten,
seinem Lebenspartner oder seinem früheren Ehegatten oder Lebenspartner
gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen, kann er
von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über
die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Der
Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des für den Unterhalt
erforderlichen Betrags abwenden. Der Anspruch
auf Herausgabe des Geschenkes ist ausgeschlossen, wenn der Schenker seine
Bedürftigkeit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt
hat oder wenn zur Zeit des Eintritts seiner Bedürftigkeit seit der
Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn
Jahre verstrichen sind. Das ist bei
der Inanspruchnahme von Pflegeleistungen natürlich ein langer Zeitraum.
Damit soll
der Schenker wieder in die Lage versetzt werden, seinen Unterhalt selbst
zu bestreiten. Soweit der Hilfeträger diesen Notbedarf deckt, kann er den
Anspruch auf Rückforderung der Schenkung auf sich überleiten. Der
Anspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht durch die Überleitungsanzeige
des Trägers der Sozialhilfe entsteht, sondern schon mit dem Eintritt der
Bedürftigkeit des Schenkers. Der Anspruch auf Rückforderung der
Schenkung richtet sich gegen den Beschenkten und nach dem Tod des
Schenkers gegen die Erben. Wenn im Rahmen einer Grundstücksschenkung
Geschwister Abfindungs- und Ausgleichszahlungen vom Schenker erhalten
haben, haften sie neben dem Beschenkten.
Der
Anspruch ist der Höhe nach beschränkt auf das, was der Schenker zur
Deckung seines Notbedarfs benötigt. Ist wie bei einem Grundstück der
Schenkungsgegenstand nicht teilbar, so kann der Hilfeträger vom
Beschenkten Zahlung von Wertersatz
verlangen. Der Anspruch auf Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn zur
Zeit des Eintritts der Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten
Gegenstands zehn Jahre vergangen sind.
Was
ist, wenn solche Grundstücke übertragen und etwa die Übertragung mit
einer Nießbrauchsregelung
kombiniert wurde. Eine Schenkung setzt eine Einigung der
Beteiligten über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung voraus, eine
gemischte Schenkung also eine Einigung über die teilweise
Unentgeltlichkeit. Der bloße Hinweis im Vertrag darauf, dass das Haus im
Wege der vorweggenommenen Erbfolge übergeben werde, besagt nichts über
die Unentgeltlichkeit. Auf den subjektiven Tatbestand einer Schenkung, nämlich
die Einigkeit der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit, kann
allerdings nach der Lebenserfahrung dann geschlossen werden, wenn ein auffallendes,
grobes Missverhältnis zwischen den wirklichen Werten von Leistung und
Gegenleistung festzustellen ist.
Typische
Argumentation, vgl. etwa BGH (IV ZR 374/94): Ein solches objektives
Missverhältnis wurden von den Vorinstanzen nicht festgestellt. Nach dem
Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen hat der Verkehrswert des
Hausgrundstücks 150.000 DM betragen, der Wert des Nießbrauchs 121.000
DM. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, mindert der Nießbrauch,
wenn er nicht - wie vom Landgericht angenommen - als Gegenleistung
anzusehen ist, den Wert
des Geschenks.
Zu berücksichtigen wäre es auch, wenn
die laufenden Bewirtschaftungs- und Reparaturkosten zu tragen sind.
Als
Gegenleistung sind neben dem Wohnrecht zugunsten eines Hilfebedürftigen
auch Pflegeverpflichtungen
zu berücksichtigen. Solche Leistungen, die die Übernehmer zu erbringen hätte,
gelten nicht als bloße Auflagen. Verpflichtungen wie
die Einräumung des Wohnrechtes und der Pflegeverpflichtung
stehen in einem Verhältnis der wechselseitigen Abhängigkeit zur Übertragung
des Grundstückes und sind damit nicht als Auflage einzuordnen. Selbst
wenn man das Wohnrecht nicht als Gegenleistung, sondern als Auflage
einordnen würde, führte dies hinsichtlich der Rechtsfrage, ob eine
gemischte Schenkung vorliegt, zu keinem anderen Ergebnis, weil die
Wertverhältnisse sich durch diese Zuordnung nur unmaßgeblich ändern würden.
Pflegeleistungen sind immer schwer zu bewerten, was es der Rechtsprechung
schwer macht, angemessene
Leistungsverhältnis im Einzelnen zu prüfen. Typische Argumentation, vgl.
OLG Düsseldorf - 9 U 45/00: Das Gericht fragt nach, welchen
Pflegeaufwand die Parteien bei Vertragsschluss erwartet haben. Das hängt
ab vom Gesundheitszustand der Schenkerin. Hierzu hieß es im Übertragungsvertrag,
sie bedürfe infolge ihrer Krankheit derzeit ständiger Pflege. Die Pflege
werde voraussichtlich in nächster Zeit in gleichem Umfang zu leisten
sein. Einzelheiten hierzu haben die Beklagten aber nicht dargetan. Es war
für das Gericht in dem konkreten Fall nicht ersichtlich, dass bereits bei Abschluss des
Vertrages tatsächlich ein Pflegeaufwand von täglich vier Stunden zu
leisten gewesen wäre. |